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Geschrieben von A.N. Other am 31.01.2012 um 16:18:

  Ein kleiner Einstieg in ACTA - warum es dich betrifft

Was ist Acta?
Warum betrifft es dich?

http://digitalegesellschaft.de/2011/10/warum-ist-acta-so-umstritten-und-warum-sich-politiker-und-burger-dafur-interessieren-sollten/
https://netzpolitik.org/2012/ein-kleiner-einstieg-in-acta/



Geschrieben von Mulciber am 01.02.2012 um 00:43:

 

Kill it with fire!



Geschrieben von Raistlin am 01.02.2012 um 12:59:

 

Grundregel Nr. 1: Nichts ist annähernd so schlimm, wie das Internet es darstellt.

Gerade bei ACTA kurisieren jede Menge Verschwörungstheorien. Man wusste lange Zeit nichts, weil es einfach nichts zu wissen gab. Also hat man sich etwas zusammengesponnen und eben mit typischen Verschwörungstheorie-Zutaten vermischt, dass da im Geheimen böse Pläne geschmiedet werden. Weil völkerrechtliche Verträge nunmal nicht öffentlich im Fernsehen verhandelt werden, war jedem alles Suspekt. Es gab im Laufe dieser Debatte einige Vorschläge von diversen Seiten und auch ein paar Vorschlags-Entwürfe. Keiner davon war jemals als letztliches Abkommen vorgesehen.

Die nun offizielle Version, die zur Unterschrift vorliegt, ist relativ unspektakulär. Sie bietet vor allem sehr weite Rahmenbedingungen für die Mitgliedstaaten und lässt jeder Nation eine Menge Spielraum für ihre eigenen Maßnahmen und wie sie etwas handhaben möchte. Im Grunde verändert sich damit kaum etwas. Der Kernpunkt des ACTA-Abkommens liegt hauptsächlich in der internationalen Zusammenarbeit.
Auswirkungen auf die Schadensersatzregelungen nach § 97 II UrhG hat übrigens auch nichts davon.

Dagegen sein kann und sollte man trotzdem, bin ich auch. Aber es ist letztlich nicht annährend so heiß, wie es auf Facebook & Co. angeblich brennt.



Geschrieben von Chiropterus am 01.02.2012 um 17:20:

 

Zitat:

ACTA im Detail - deshalb geht es rund:
Laut Artikel 6,1 des ACTA-Textes muss sich jeder unterzeichnende Staat verpflichten, mit geballter Polizeigewalt gegen mögliche Verstöße gegen das Urheberrecht vorzugehen. Artikel 7 verlangt das Einsetzen von Zivilrichtern und Artikel 8 weist sie an, wie und wann sie gegen Copyright-Sünder vorzugehen haben. Artikel 9 bestimmt die Richtlinien, nach denen eine Schadensersatzhöhe bestimmt wird, Artikel 10 schließlich erlaubt die Vernichtung des beschlagnahmten Eigentums (PCs, Festplatten usw.).

Laut Artikel 11 müssen die Beschuldigten andere am Urheberrechtsverstoß beteiligte Personen preisgeben. Artikel 12 regelt die Beweislage und rückt Urheberrechtsverletzungen beinahe in die Nähe von Vergehen, bei denen "Gefahr im Verzug" herrscht. Artikel 24 bestimmt, dass die Sanktionen von Geldstrafen bis zu mehrjährigen Gefängnisstrafen reichen können, es wird lediglich eine "Vergleichbarkeit" mit anderen Straftaten angestrebt.

Quelle: http://business.chip.de/news/ACTA-So-soll-Ihre-Freiheit-beschnitten-werden_54234829.html

Die Contentindustrie möchte für Urheberrechtsverletzungen den Rechtsstaat aushebeln. Das ,und nichts anderes, ist Acta! Weil ihre veralteten Geschäftsmodelle durch ,zugegebenermassen, illegale Downloads umgangen werden, soll das gesamte Netz überwacht werden und wer erwischt wird, geht ins Gefängnis.
Das ist nicht mehr steigerbar. Fehlt nur noch, dass die Industrie eine Sonderjustiz und Sonderlager einrichtet, zur Sonderbehandlung der bösen Raubkopierer.



Geschrieben von Raistlin am 01.02.2012 um 21:29:

 

Ja, und genau das meinte ich eben damit. Das fängt schon mit dem absolut populistischen "mit geballter Polizeigewalt gegen mögliche Verstöße" an - als ob die Polizei gleich die Tür bei euch eintritt, weil ihr ne MP3 gezogen habt. Das betrifft, wie vieles auch, "die großen Fische" wie piratbay oder zuletzt Megadownload.

Hier mal zum Vergleich das Original:

Zitat:
Each Party shall ensure that enforcement procedures are available under its law
so as to permit effective action against any act of infringement of intellectual property
rights covered by this Agreement, including expeditious remedies to prevent
infringements and remedies which constitute a deterrent to further infringements. These
procedures shall be applied in such a manner as to avoid the creation of barriers to
legitimate trade and to provide for safeguards against their abuse.


So und nicht anders steht im Vertrag. Da steht erstmal überhaupt nichts von Polizei. Da steht nichts anderes, als das jeder Staat entsprechende Gesetzte erlassen sollte, die das geistige Eigentum des Künstlers schützen. Wie diese Gesetze aussehen ist mehr oder weniger jedem Land selbst zu überlassen. ACTA macht hier nur wenig Vorschriften [es sollte nicht unnötig teuer sein oder unnötig in die Länge gezogen werden] und benutzt dabei ganz viele shalls.

Weiter:
Zitat:
ARTICLE 7: AVAILABILITY OF CIVIL PROCEDURES
1. Each Party shall make available to right holders civil judicial procedures
concerning the enforcement of any intellectual property right as specified in this Section.


Das heißt, dass es den Rechtsinhabern möglich sein muss vor Gericht gegen Verstöße klagen zu können. Das ist nichts Neues und ist natürlich auch völlig rechtens.

"Artikel 8 weist sie an, wie und wann sie gegen Copyright-Sünder vorzugehen haben."

Das tut er nicht. Artikel 8 gibt dem Zivilgerecht lediglich die Befugnis entsprechende Strafen zu verhängen. Gemäß den Gesetzen. Es ändert sich auch hier eigentlich nichts.

"Artikel 9 bestimmt die Richtlinien, nach denen eine Schadensersatzhöhe bestimmt wird"

Auch Artikel 9 sagt nur, dass der Staat Richtlinien erlassen soll. Haben wir längst. § 97 II UrhG. Ändert sich was? Nö.

"Artikel 10 schließlich erlaubt die Vernichtung des beschlagnahmten Eigentums (PCs, Festplatten usw.)."

Das ist korrekt, setzt allerdings eine vorausgegangene Verhandlung und einen darauf folgenden Schuldspruch voraus.

Und so geht es weiter..

Nochmal zusammen gefasst: ACTA macht Vorschriften, allerdings in der Form von "Ihr sollt Gesetze erlassen, geistiges Eigentum schützen und die Strafen gegen einen Verstoß definieren". Wie dies alles auszusehen hat ist größtenteils dem Staat überlassen. ACTA entwirft hier im Detail nur sehr wenige, offene Richtlinien. Ein Großteil dieser Richtlinien wird vom deutschen Staat längst erfüllt. Wenn ihr beim Downloaden erwischt werdet, könnt ihr verklagt und bestraft werden. Das existiert bereits. Auch Eigentum kann bereits beschlagnahmt und vernichtet werden, auch das existiert.

Der Kernpunkt des ACTA-Abkommens liegt, nochmal, hauptsächlich in der internationalen Zusammenarbeit. Gerade aufgrund von der derzeitigen Problematik, dass irgendwer im Ausland einen Server betreibt und dort ungehindert Scheiße baut. Wenn irgendwo in Polen jemand meine Musiklieder illegal vertreibt, kann ich derzeit praktisch nichts dagegen tun. Ich kann das in Polen melden und wenn die wollen scheißen sie drauf. Wenn sie den Vertrag unterschreiben funktioniert das dagegen nicht mehr. Bzw. es wird einfacher einen Täter, der im Ausland gegen meine Urheberrechte verstößt, zu verfolgen.

Wie gesagt, ich bin auch durchaus gegen ACTA, weil es in die falsche Richtung geht. Aber irgendwelche Unwahrheiten zu verbreiten und dabei laut FEUER! FEUER! ES BRENNT ES BRENNT! zu rufen bringt einem auch nicht weiter. Lest euch lieber den ACTA-Text im Orginal durch statt solche reißerischen Berichte: http://www.international.gc.ca/trade-agreements-accords-commerciaux/assets/pdfs/acta-crc_apr15-2011_eng.pdf



Geschrieben von Chiropterus am 01.02.2012 um 22:18:

 

Überwachung ist bei uns nur bei schweren Straftaten erlaubt. Mit Acta sollen die Provider ihre Kunden überwachen, und sie werden das tun. Denn Acta will sie haftbar machen. Außerdem sollen Internetsperren eingeführt werden. Ohne Prozess und richterliche Zustimmungen sollen Seiten und Anschlüsse gesperrt werden können.

Jegliche Diktatur begann immer mit der Einführung von Maßnahmen die das Rechtssystem umgingen. Acta ist ein solches Gesetz. Es mag sanft formuliert sein, es wird zu massiver Zensur führen. In Australien gab es ein ähnliches Gesetz zur Bekämpfung von Kinderpornographie. Am Ende standen NGOS und Zahnärzte auf der Zensurliste.

Auch sind die nationalen Gesetze nicht aufeinander abgestimmt. Was ist z.B. mit nicht veröffentlichten Filmen? Wird mir die Tür eingetreten wenn ich in den Usa auf einer legalen Seite einen Stream sehe und dafür bezahle?

Kernpunkt ist, gegen die Maßnahmen die aus Acta entstehen habe ich keine Rechtsmittel. Man würde zwar in einem deutschen Gefängnis landen, aber man könnte kein deutsches Gericht anrufen.



Geschrieben von Ishaèll am 01.02.2012 um 23:32:

 

Ich seher das Problem darin, dass hier ein Anfang stattfindet der sich sicherlich schleichend fortsetzend wird. Es wird immer und immer wieder ein kleines bisschen die Schraube nachgezogen und jedesmal gibt es nur einen kleinen Aufschrei, es ist ja nur ein bisschen. Ähnliche Entwicklungen siehe Vorratsdatenspeicherung, neue elektronische Ausweise, bestimmte Form der Passbilder, etc.

Acta Demonstrationen in Polen



Geschrieben von Raistlin am 04.02.2012 um 12:54:

 

Ich empfehle an dieser Stelle mal dieses Video hier: http://www.youtube.com/watch?v=g1eUF7qD5FA&feature=youtu.be



Geschrieben von Chiropterus am 04.02.2012 um 16:41:

 

Zitat:
Original von Raistlin
Ich empfehle an dieser Stelle mal dieses Video hier: http://www.youtube.com/watch?v=g1eUF7qD5FA&feature=youtu.be


2:23, der Typ redet über das *deutsche* Urheberrecht. Acta ist aber international und die entsprechenden Gesetze anderer Länder sind teilweise viel schärfer. Möglicherweise wird man dank Acta in Deutschland für etwas verhaftet was in Deutschland gar nicht illegal ist, in den Usa aber sehr wohl.

Beispiel? Ein Bild aus dem Internet verlinken. Das reicht schon aus.

Ausserdem sind die Maßnahmen, Zwang der Internetprovider zur Totalüberwachung ihrer Kunden, maßlos überzogen. Das ist so, als müsste ich mich vor betreten der Straße durchsuchen lassen weil ich eventuell einen Laden betreten und etwas stehlen könnte. Weigere ich mich, darf ich gar nicht mehr aus dem Haus.

Eine kleine Überlegung zu den Missbrauchsmöglichkeiten:

Ingo Innovativ hat mit seiner 10-Mann-Firma eine Software entwickelt. Sie kostet 50€ pro Jahr und ist besser als alles auf dem Markt. Die Firma "YesterdayTech Inc." in den Usa verliert Marktanteile. Sie klagen vor einem amerikanischen Gericht und bringen vor, Ingo würde ihre Rechte verletzen. Ingos Website wird für die Usa gesperrt, bis das geklärt ist. Rechtsmittel: Keine.
Der Prozess zieht sich, Ingos Firma verkauft nichts. Der Prozess gegen den großen Konzern ruiniert die Firma. Am Ende ist Ingo Pleite, und verlauft sein Softwarepatent zum Schleuderpreis an Yesterday Inc.

Zweites Beispiel:
Im Netz tauchen Bilder eines Kriegsverbrechens im Irak auf. Das Us-Außenministerium bringt vor, auf den Bildern wäre urheberrechtlich geschütztes Material und lässt die Seiten per Gerichtsbeschluss sperrem.

Beide Beispiele sind mit Acta möglich.



Geschrieben von Raistlin am 05.02.2012 um 13:41:

 

Zitat:
Original von Chiropterus
Zitat:
Original von Raistlin
Ich empfehle an dieser Stelle mal dieses Video hier: http://www.youtube.com/watch?v=g1eUF7qD5FA&feature=youtu.be


2:23, der Typ redet über das *deutsche* Urheberrecht. Acta ist aber international und die entsprechenden Gesetze anderer Länder sind teilweise viel schärfer. Möglicherweise wird man dank Acta in Deutschland für etwas verhaftet was in Deutschland gar nicht illegal ist, in den Usa aber sehr wohl.

Beispiel? Ein Bild aus dem Internet verlinken. Das reicht schon aus.
(...)
Beide Beispiele sind mit Acta möglich.


Ja Danke für das Beispiel, denn das ist eben schon mal komplett falsch, was wieder zeigt, dass in Punkto ACTA eine Menge Blödsinn verbreitet wird. ACTA regelt das Kollisionsrecht für solche internationale Unterschiede nämlich mal überhaupt nicht:
"This agreement does not create any obligation on a Party to apply measures where a right in intellectual property is not protected under its laws and regulations." Siehe Artikel 3, Absatz 2.

Oder auf Deutsch: Wenn es nach deutschem Recht legal ist, kann dich eine andere Nation dafür auch nicht verklagen. Und auch im Falle des Kriegsverbrechers müsstte die USA erst einmal nachweisen, dass eine Urheberrechtsverletzung vorliegt und das nicht einfach nur behaupten.


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