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Geschrieben von inner_conflict am 12.04.2006 um 14:11:

  Das stille Tschernobyl

Nein, das ist kein Thread, um die Mods und Admins zu nerven zwinkert ...

Kennt den Ausdruck jemand und das Problem, das sich hinter dem Begriff verbirgt?

Das stille Tschernobyl liegt in Zentralasien, der Aralsee, der einer der grössten Seen der Welt trocknet seit 4 Jahrzehnten aus, mittlerweile sind es 3 kleine Seen, die Zuflüsse erreichen den See schon lange nicht Meer, die Ufer haben sich um mehrere hundert Kilometer verschoben, eine lebensfeindliche Salzwüste mit rostenden Schiffswracks...

Die höchste Sterberate bei Säuglingen ist nicht in einem Land in Afrika, nicht bei Tschernobyl sondern in der Gegend um den Aralsee, 2/3 der Bevölkerung sind chronisch krank...

Das Wasser wird für Baumwollplantagen gebraucht, das Klima hat sich massiv verändert, die Äcker versalzen (Sandstürme aus der Wüste), das Trinkwasser ist pestizidverseucht, die Menschen hungern...

Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan, die Länder, die an den See grenzen, Verbündete der USA, von Despoten regiert, die alle ein Terrorregime führen, Opposition wird unterdrückt, Korruption, etc...

Der Baumwollanbau wird trotz allem ausgebaut, neben Öl und Gas wichtigste Exportgut, doch das Wasser ist knapp, der Streit darum längst entbrannt...

Die Region ist alles andere als stabil (langer Bürgerkrieg in Tadschikistan, Unruhen in Kirgisien)....

Der See wird voraussichtlich ganz austrocknen, die Lage der Menschen wird sich weiter verschlimmern, ein militärischer Konflikt ist mittelfristig wahrscheinlich...

Kurz: Vermutlich die grösste ökologische, klimatische, wirtschaftliche, soziale etc Katastrophe überhaupt....



Geschrieben von Mme Groteske am 12.04.2006 um 14:59:

 

Das Thema hatte ich oft in Erdkunde, war mein Lieblingsthema. Aber ich wusste nicht, dass man den Aralsee "das stille Tschernobyl" nennt.

Ich kann ja verstehen, dass dort weiterhin Baumwolle angebaut wird, eben weil es eins der größten Exportgüter sind (sicherlich für unsere hiesigen bekannten Modefirmen), und es ist ja eigentlich schon "regelkonform", dass die Produzenten nicht auf die Menschen, die dort arbeiten, achten. Nur bei einer solch hohen Säuglingssterblichkeitsrate (die ich jetzt nicht im Kopf hab und mein Erdkundebuch in den Analen der Schule verschollen ist) und bei dieser hohen Anzahl an Erkrankten sollte doch langsam der allgemeine Blick der Welt uf dieses Katastrophengebiet gelenkt sein. Aber wer kennt schon den Aralsee? Ich kann nur aus meiner eigenen Schulerfahrung erzählen, aber die Schüler hatte nso 95% keine Ahnung, wo und was das ist. Und ich kann mir vorstellen, dass das in der allgemeinen Bevölkerung nicht anders ist.

Und dabei ist doch dieses Thema auch etwas, was uns tangiert. Wie ich oben schon beschrieben habe, nutzen auch hiesige große Modefirmen diese Baumwolle. Und auch Wolle aus anderen Ländern, die sogar mit Pestiziden und so weiter verseucht sind. Demnach tragen wir im nachhinein Klamotten aus diesen Ländern, fördern also auch diese Arbeit, demnach auch den Untergang der Menschen am Aralsee oder die Pestizigbenutzung in Indien usw. Relativ bekannt ist dieses Thema (gewesen) bei H&M, da diese solche Rohstoffe nutzen und diese nicht gerade gesund für uns sind....



Geschrieben von inner_conflict am 12.04.2006 um 15:49:

 

Ich hab meine Abiarbeit darüber geschrieben (auch schon paar Jahre her), aus meiner Klasse wusste niemand was davon und so ziemlich alle haben beim Wort Aralsee zuerst mal "Hä?" gesagt und danach gefragt, obs was mit der Tankstellenkette zu tun hat...

Naja das Problem der Monokulturen (allgemein, auch bei vielen afrikanischen Staaten so) ist, dass nur für den Export produziert und die Einheimischen trotz fruchtbarem Land und vorhandener Technik verhungern, Usbekistan deckt grad mal die Hälfte seines Lebensmittelbedarfs...

Für den kurzfristigen Profit wird ein ganzer Landschaftsstrich komplett ruiniert und die Bevölkerung krepiert. Trocknet der See nämlich ganz aus, beeinträchtig das Klima auch die Landwirtschaft, das ist auch schon heute der Fall. Das ganze Gebiet wird zu einer Wüste mutieren, die Sandstürme und das extreme kontinentale Klima werden das Gebiet unbewohnbar machen, dazu kommt, dass die Sandstürme Pestizide und Salze verbreiten -> gesundheitsschädigend, unfruchtbare Böden. Die Sand/Salzstürme bewirken auch, dass die Gletscher des Hindukusch schneller abschmelzen (schon heute der Fall), das Wasser wird über kurz oder lang ganz ausgehen...

Es gibt schon Projekte, um den See zu retten, schon zu Sowjetzeiten gabs die, natürlich stalinistisch grössenwahnsinnige Sachen, wie Kanäle aus Sibirien etc. Heute bemüht man sich eher um Schadensbegrenzung, versucht, den kleinen See zu erhalten und zu stabilisieren...

Aber Wasser ist in dieser Region Geld und solange man damit noch was verdienen kann, ist keiner der Staaten bereit, den Zuflüssen was zu schenken, im Gegenteil, Turkmenistan plant neue Kanäle, um den unfruchtbaren Böden in der Nähe des Sees auszuweichen...

Wegen Dünger, Pestiziden...

Da wurden DDT, Agent Orange (für die Ernte) und anderes eingesetzt, bis zu 54 kg/ha/Jahr, in den USA, wo auch nicht mit Chemie gespart ist warens 1,6kg/ha/Jahr... Dazu kamen noch 900 kg/ha/Jahr an Dünger...

Diese ganzen Stoffe schweben nun dort in der Luft rum, sind im Trinkwasser, auf den Feldern....

Die Baumwolle wird in alle Welt exportiert und verarbeitet, die Herkunft der Baumwolle muss ja nicht deklariert werden (ist mir zumindest nie aufgefallen?), es ist also nicht so einfach herauszufinden, woher was kommt....



Und ich glaube nicht, das heute weniger gesprüht wird wie damals. Die klimatischen Bedingungen sind extremer geworden, die Böden ausgelaugt, die Chemie daher umso wichtiger.



Geschrieben von kyuthecoffin am 08.10.2007 um 21:01:

 

Ich erinnere mich, dass wir in meinem Bio-LK damals eine Übungsfrage zu diesem Thema hatten. Sie lief darauf hinaus, dass man eben diese Entwicklungen anhand der Nachteile von Pestiziden u. Monokulturen begründen sollte. Manch einer mag das etwas makaber für eine Prüfungsaufgabe finden, ich fand es aber eher positiv sich ernsthaft mit einer tatsächlichen Katastrophe zu beschäftigen, als sie einem positivierten Weltbild wegen totzuschweigen.
Es ist immer wieder schockierend, dass die meisten Leute über solche katastrophalen Zustände meist kaum informiert sind und unsere Medien sich lieber mit Spekulationen über die sexuelle Ausrichtung von Schauspielern etc. beschäftigen. Ob die Textilindustrie da ihren Finger drauf hat...oder sich diese Nachrichten sich einfach nicht verkaufen? Wohl beides...



Geschrieben von Dlardrageth am 31.10.2007 um 08:23:

 

Nun.....

aus biosphärischer Sicht ist diese Verschmutzung langfristig möglicherweise garnichtmal SO übel. Man bedenke doch bitte, dass all diese "Katastrophen" letztlich einzig und alleine den Menschen aus dem Gebiet vertreiben werden - das Leben als solches wird sich anpassen und bleiben bzw zurückkehren. Der Mensch ist nach wie vor sein eigener grösster Feind, und wenn Kulturen überall auf der Welt jetzt den Preis für ihre Dummheiten bezahlen müssen, was ist daran schlecht ? Niemand zwingt ein armes Land am Rande der Zivilisation, technologisch und meist auch / vor allem militärisch mit den Grossen spielen zu wollen - diesen Ländern würde es wesentlich besser gehen, würden sie kleinere Tassen töpfern, sozusagen. In einer Agrargesellschaft lebt sich`s eigentlich garnicht so schlecht, und die Methoden, wie man nachhaltig und langfristig sinnvoll anbaut sind seit Jahrtausenden bekannt. Aber so vernichten diese Leute ihre eigene Lebensgrundlage, bis sie keine andere Wahl mehr haben, als abzuwandern. Was für die betreffenden Regionen das beste ist, was passieren kann!
Beispiel das echte Tschernobyl: Erstaunlicherweise ist das verstrahlte Umland, weil für den Menschen unbewohnbar, in den letzten Jahrzehnten zu einer beispiellosen Naturoase geworden. Es gibt dort eine Artenvielfalt und einen Reichtum an Lebensformen, wie sonst nirgendwo im "zivilisierten" Russischen Raum. Warum ? Weil die Tiere dort niemand stört. Die ökologischen Systeme sind intakt, Raubtiere sind keine Jagdkonkurrenten und werden demzufolge nicht von Wilderern belästigt; alles ist in Balance wie es sein sollte.
Woran liegt das ? Ganz einfach: Die meisten Tiere haben eine zu kurze Lebenserwartung, als dass die schwere Strahlung dort zu einem grösseren Problem werden könnte. Sicher, Krebs tötet, aber meist erst nach 20 oder mehr Jahren. So alt wird kein Wolf. Und das ansonsten gesunde Ökosystem sorgt dafür, dass es genug Nachkommen gibt, um einige Verluste durch nicht lebensfähige Mutationen auszugleichen.
Ergo:
Hart für den Menschen, aber gut für den Planeten. Es gibt eh zu viele von uns. Umbrüche weltweiten Ausmasses, wie sie uns sicher bevorstehen mit Klimaflüchtlingen in den Millionenzahlen, unbewohnbar-werden der Küstengebiete ( siehe USA - 70% des menschlichen Lebens dort findet sich in Küstennähe ) und was noch alles, sind bestens geeignet, Überpopulationen auszugleichen. Wasser wird eine immer grössere Rolle spielen - nicht nur am Aralsee, sondern allgemein. Giftiges / salziges / verseuchtes / einfach-zu-viel Wasser auf der einen, und zu wenig sauberes Wasser auf der anderen Seite.

Ich denke mal, wir werden es erleben. Ohne weitere Kriege wird das alles nicht gehen, die nähere Zukunft wird sicher spannend.
C you there !

Dlardrageth



Geschrieben von inner_conflict am 31.10.2007 um 10:32:

 

Es fällt mir grad schwer, dir Ökofaschismus nicht zu unterstellen....


Die tolle Natur und der Mensch hat's ja nicht besser verdient, immer dieses Hybris-Bestrafungs Muster, das ist doch Quatsch. Die Natur ist kein Gott, der straft oder sich rächt, sie ist einfach ein System - und der Mensch ist ein Teil davon.


Du vergisst, dass die Austrockung des Aralsees einen krassen lokalen Klimawandel nach sich zieht. Ich bezweifle, dass die ganzen Arten jemals wieder zurückkehren werde, die Artenvielfalt in einer pestizidverseuchten Salzwüste ist nicht besonders gross.


Willst du mir nun auch noch weis machen, dass die Abholzung des Regenwaldes und die damit einhergehende Wüstenbildung gut für den Planeten ist? Oder mir etwas über die Artenvielfalt auf Minenfelder erzählen, weil dort kein Mensch drüber geht? Oder möchtest du eine Atombombe über Berlin abwerfen, damit die einstigen Auwälder wieder kommen?


Ich halte auch nicht allzu viel von der menschlichen Spezies, aber deine Position finde ich total bescheuert.



Geschrieben von Dlardrageth am 31.10.2007 um 12:15:

 

Tja, das ist dir natürlich freigestellt. Niemand hat verlangt, dass sich alle Welt meiner Meinung anschliesst. Und dass "die Natur" den Menschen "bestraft" hab ich nicht gesagt oder ?! Komisches Konzept, das würde bewussten Willen voraussetzen. Da kannst du auch gleich zu den Katholiken wechseln.
Und...Ökofaschismus.....das Wort allein....*G*

Ich beobachte einfach nur verwundert und belustigt, wie trotz des ganzen Hypes in letzter Zeit nach wie vor Leute allen Ernstes und in völliger Überzeugung ihrer Position die Strasse zum eigenen Untergang pflastern.

Was dein Thema mit der pestizidverseuchten Salzwüste angeht - klar. Stimmt ja auch, keine Einwände. Du hast nur nicht den Kern meiner Aussage verstanden - im Grunde liegt das Problem einfach in dem viel zu kleinen zeitlichen Fokus, in dem Menschen ihre Welt sehen. Und in vielen Gebieten - und am Aralsee eben auch - werden die Leute zur Zeit nunmal von ihrer "nach mir die Sintflut"-Mentalität eingeholt. Was ich jetzt tue ist einfach nur, mich darüber zu amüsieren dass einige sich tatsächlich noch darüber wundern. In etwa wie ein Ami in Texas vor den Resten seines vom jüngsten Tornado zerlegten Holzhauses, der äussert, damit hätte er nie gerechnet, und ach wie schrecklich.
Siehe Aralsee - die haben auch nix draus gelernt. Wurde nicht einer der Zuflüsse relativ kürzlich aufgestaut ? Da war doch sowas.

Kurzerhand: Das ist die einzige "Position" die ich einnehme - ich lache über Leute, die sich wundern wenn ihre eigene Dummheit sie einholt.
Natur / Öko Thematiken haben damit nichts zu tun, sie bieten nur wunderbar viel Material zum Amüsement, wie auch hier in diesem Thread.
Wenn jemand diesen Standpunkt dann verwerflich findet - bitte sehr, ist mir Jacke wie Hose. Viel Spaß damit, nehme Beschuldigungen, Vorwürfe und Anklagen wegen menschlicher Grausamkeit und niederem Charakter gerne entgegen. Das belustigt mich nur noch mehr.

Viele lieben Grüsse, und danke für den Spaß

Dlardrageth



Geschrieben von inner_conflict am 31.10.2007 um 22:20:

 

Bewussten Willen nicht, aber deine Formulierungen sind nicht sonderlich wertfrei. Lies deinen Post nochmals, zB

Zitat:
Was für die betreffenden Regionen das beste ist, was passieren kann!


Zitat:
Hart für den Menschen, aber gut für den Planeten. Es gibt eh zu viele von uns.


Das sind Wertungen, und da du "Natur" (die du komischerweise in Gegensatz zum Menschen stellst") über eine verreckende Bevölkerung stellst, find ich den Begriff "Ökofaschismus" gar nicht so fehl am Platz.


Wenn du schon relativistisch sein möchtest, dann tu dies bitte konsequent oder lass es. Wenn du es konsequent tust, bräuchtest du nicht einmal mehr ein Posting zu schreiben.
Und wenn du das Ganze systemisch denken möchtest, dann lass deine Werturteile aussen vor. Sonst wird's widersprüchlich.


Ausserdem ist deine Sichtweise extrem vereinfachend und wird der Komplexität in keinster Weise gerecht. Schon alleine die Trennung Mensch-Natur lässt sich nicht halten, wenn man von Abhängigkeiten und Wechselwirkungen spricht.
Auch diese Behauptung:

Zitat:
Niemand zwingt ein armes Land am Rande der Zivilisation, technologisch und meist auch / vor allem militärisch mit den Grossen spielen zu wollen - diesen Ländern würde es wesentlich besser gehen, würden sie kleinere Tassen töpfern, sozusagen. In einer Agrargesellschaft lebt sich`s eigentlich garnicht so schlecht


ist letztlich Quatsch. Das Werturteil "Am Rande der Zivilisation" hättest du dir als Relativist sparen sollen, zweitens ignorierst du die "Globalisierung". Schon mal gefragt, woher die Baumwolle für die ganzen Klamotten kommt?. Drittens ignorierst du die Lage innerhalb dieser Staaten, das ist alles nicht so einfach.


Dein Standpunkt ist mir wurst, darüber reg ich mich auch gar nicht auf, nur über die Inkonsequenz deiner Argumentation, bzw die belustigt mich. zwinkert



Geschrieben von cRaShMaKeR am 01.11.2007 um 02:26:

 

Zitat:
Original von inner_conflict
Wenn du schon relativistisch sein möchtest, dann tu dies bitte konsequent oder lass es. Wenn du es konsequent tust, bräuchtest du nicht einmal mehr ein Posting zu schreiben.
Und wenn du das Ganze systemisch denken möchtest, dann lass deine Werturteile aussen vor. Sonst wird's widersprüchlich.




Ich würde eher sagen: Sonst wirds Eva Herman grosses Grinsen


hm. also ich finds hart, ich hatte bisher nochnicht davon gehört was dort so abgeht.

ein glück kauf ich keine neuen klamotten aus Wolle sondern schneider nur alles aus Leinen grosses Grinsen



Geschrieben von Dlardrageth am 05.11.2007 um 07:44:

 

<Zig Zeilen gelöscht by myself>

nee, ist mir eigentlich zu blöd. Unwichtiges Thema.


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